Was ist ein Seelenloch?

Ein Loch in der Seele oder ein Loch für die Seele? Ein Seelenloch hat nichts mit einer psychischen Erkrankung oder einem seelischem Tief zu tun (Psyche ist der griechische Ausdruck für Seele), sondern es ist ein Fachbegriff aus der Megalithkultur. Es ist eine faszinierende architektonische Besonderheit, deren genauere Betrachtung sich durchaus lohnt.

Mystische Bedeutung des Seelenlochs

Anders als das Informationsschild beim Großsteingrab Degernau im Landkreis Waldshut-Tiengen vermuten lässt, handelt es sich bei einem Seelenloch höchstwahrscheinlich nicht um ein praktisches Einstiegsloch, also eine Zutrittsmöglichkeit für (lebende und/oder tote?) Menschen zu einer Grabkammer. Es ist eher wahrscheinlich, dass es sich bei dem Seelenloch um eine Austrittsöffnung, also einen Ausgang für die Seelen der Verstorbenen handelt. Nachdem sie sich in einer längeren Abschiedsphase und einem Prozess des Loslassens endgültig vom Körper getrennt hat, kann sie durch das Loch entweichen und in andere Sphären aufsteigen. Was genau die Neolithiker, die Erbauer der Ganggräber, damals wirklich geglaubt haben, bleibt natürlich Spekulation, aber der Aufwand, der mit der Gestaltung dieser Löcher betrieben wurde, ist enorm. War es schon eine Leistung, die Steine der Großsteingräber überhaupt aufzurichten und anzuordnen, so ist das mechanische Einbringen eines doch ansehnlich großen kreisrunden Loches in den Verschlussstein des Grabes handwerklich nicht hoch genug zu bewerten.

Spirituelles Bewusstsein?

Man darf schon davon ausgehen, dass ein Bewusstsein für Sterblichkeit, für die Seele, für Meta-Zusammenhänge bei den Erbauern dieser Gräber vorlag. Es gibt die Seelenlöcher in unterschiedlicher Ausführung. In Degernau ist das Loch in einen Stein hineingearbeitet. Eine vergleichbare Arbeit findet sich auch beim nicht weit entfernten Heidenstein in Schwörstadt oder beim Ganggrab im hessischen Züschen. In anderen Gräbern, beispielsweise im ostwestfälischen Rimbeck, sind zwei Halbkreise in getrennte Steine eingearbeitet worden, und diese beiden Steine dann zusammengesetzt worden.

Großsteingrab Degernau mit Seelenloch

Großsteingrab Degernau, Landkreis Waldshut-Tiengen, Baden-Württemberg

Heidenstein

Heidenstein Schwörstadt, Landkreis Waldshut-Tiengen, Baden-Württemberg

Ganggrab Züschen

Ganggrab Züschen, Schwalm-Eder-Kreis, Hessen

Großsteingrab "Im Weißen Holz"

Großsteingrab „Im Weißen Holz“, Rimbeck, Kreis Höxter, Nordrhein-Westfalen